09.09.2020

Interview zu Herausforderungen für Brandschutz-Fachbetriebe: "Die Prozesse wandeln sich"

Die FeuerTrutz Redaktion sprach mit Carsten Wege, dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Brandschutz-Fachbetriebe e.V. (bvbf), über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Geschäft der Brandschutz-Fachbetriebe und über weitere Herausforderungen für die Branche.
Servicetechniker prüft einen Wandhydrantenschrank mit Schlauchhaspel. (Bild: Bundesverband Brandschutz-Fachbetriebe e.V.)


Herr Wege, zu den bvbf-Mitgliedern zählen viele Fachbetriebe, Fachhändler und Dienstleister des technischen und organisatorischen Brandschutzes in Deutschland. Deren Mitarbeiter sind auch viel beim Kunden vor Ort. Wie haben sich die Beschränkungen des Corona-Lockdowns auf die Unternehmen ausgewirkt?
 

Der technische Kundendienst war durch den Lockdown in der ersten Zeit beeinträchtigt, obwohl keine Beschränkungen für technische Dienstleistungen angeordnet wurden. Erst Ende April wurde der Außendienst behutsam wieder hochgefahren. Laufende Baustellen wurden nach Möglichkeit weiter bedient. Die Kunden sagten fällige oder vereinbarte Termine zu Wartungen und Prüfungen der Brandschutzanlagen und -einrichtungen vorläufig ab oder verschoben diese auf unbestimmte Zeit. Das Geschäft mit Brandschutzhelfer-Schulungen und den praktischen Löschübungen brach bis Juni völlig ein. Unsere Mitgliedsunternehmen reagierten und handelten konsequent. Alle unsere Vor-Ort-Dienstleistungserbringer machten sich rasch mit Infektionsschutzmaßnahmen und dem Coronavirus-Arbeitsschutzstandard für ihre geschäftlichen Abläufe vertraut. Sie setzten passende Schutzkonzepte für den kontaktarmen Dienst beim Kunden um. Auftragstermine wurden flexibilisiert und Aufträge teils außerhalb der Regelzeit, etwa in den Nachtzeiten oder an Wochenenden, abgearbeitet. Selbst geschlossene Geschäftsbetriebe, Schulstätten oder sonstige öffentliche Einrichtungen waren weiter für Revisionsarbeiten und Fortsetzung der Arbeiten auf Baustellen zugänglich. Viele treue Kunden wirkten da positiv mit. Vorübergehende Geschäftsschließungen gab es in Einzelfällen bei Brandschutz-Fachhandelsgeschäften.

 

Da konnten wir unter Geltendmachung der Gleichbehandlung Lockerungen für betroffene Mitglieder bewirken, zumal Baumärkte ebenso Brandschutz- und Sicherheitsartikel vertreiben durften.

Im Interview mit Carsten Wege, Geschäftsführer des Bundesverbandes Brandschutz-Fachbetriebe (bvbf)


Gibt es Zahlen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Brandschutz-Fachbetriebe?
 

Nach Mitgliederbefragung rechnen fast 75 % der Betriebe mit geringen Auswirkungen für das Brandschutzgewerbe für 2020. Mehr als 50 % verzeichneten bis dato einen geringen Umsatzrückgang. Etwa ein Drittel der Brandschutz-Fachbetriebe beantragte vorsorglich Kurzarbeit. Etliche Kleinbetriebe nutzten auch die Corona-Soforthilfen von Bund und Ländern. Unsere Dienstleister mit Schwerpunkt der Brandschutzbeauftragtenleistungen verzeichnen hingegen erhebliche Einbußen bei den Präsenzschulungen. Vor-Ort-Begehungen wurden auf das notwendige Minimum reduziert. Ausgefallene Brandschutzhelferschulungen sind derzeit eher auf Kleingruppen beschränkt und nur mit den Infektionsschutzvorgaben und erhöhtem Aufwand für die Dauer der Pandemie ausführbar.
 

Wie ist die Stimmungslage der Mitgliedsunternehmen mit Blick auf das nächste Jahr?

Verhaltener Optimismus ist bei unseren Mitgliedsunternehmen angesagt. Die Pandemie verlangt länger konstante Disziplin beim Gesundheitsschutz von allen. Unsere Mitglieder sind von uns bestens informiert und gut beraten.

Die Unternehmer und Mitarbeiter der Brandschutz-Fachbetriebe und -Dienstleister sind besonders verantwortungsbewusst und motiviert, da sie als betriebsfremde Personen auf den Kundenzugang angewiesen sind. Wir sind von der konjunkturellen Bauentwicklung und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Weitgehend konnten wir uns bis dato verlässlich auf die wiederkehrenden Prüf- und Instandhaltungsleistungen im Bestand und notwendige Brandschutzertüchtigungsgeschäfte stützen. Dennoch müssen wir unsere Kunden von stärker krisengebeutelten Branchen besonders im Blick haben.
 

Info: Bundesverband Brandschutz-Fachbetriebe e.V. (bvbf)

Der Bundesverband Brandschutz-Fachbetriebe e.V. (bvbf) repräsentiert anerkannte Brandschutz-Fachbetriebe, Fachhändler, Hersteller und Dienstleister des technischen und organisatorischen Brandschutzes. Gegenüber Politik, Behörden, Medien, in Normungsgremien sowie im Dialog mit wichtigen Institutionen werden deren Interessen, wie etwa die Sicherstellung des organisatorischen Brandschutzes und der Verfügbarkeit von Brandschutzanlagen und -einrichtungen und deren laufende Instandhaltung nach dem Stand von Recht und Technik, vertreten.
www.bvbf.de
 

Zunehmende Gebäudeautomation, Fernwartung und Digitalisierung insgesamt sind Treiber in vielen Märkten. Entsteht da zusätzliches Potenzial für die Fachbetriebe oder werden manche Tätigkeitsfelder in Zukunft obsolet?
 

Das Betreiben und Instandhalten der gehobenen Brandschutz- und Sicherheitsanlagen und -einrichtungen wird digitaler und anspruchsvoller. Mit den Innovationen wandeln sich die Prozesse. Die Störungsmeldung, die Fehlererkennung und die Störungsbeseitigung können frühzeitiger erfolgen. Auf den ersten Blick sind dies vorteilhafte Aussichten und Versprechungen für die Betreiber und die Errichter und Instandhalter für mehr Komfort durch Automation und Digitalisierung. Das setzt aber ausgereifte und zuverlässige Technik für die jeweilige Anwendung voraus.
Ansonsten drohen Systemkonflikte, was unbedingt zu vermeiden ist.
 

Die Tätigkeitsfelder ändern sich deshalb stetig. Der Vor-Ort-Service bei Kunden kann zeitlich kürzer gestaltet und abgewickelt werden. Für mechanisch betriebene Brandschutzanlagen und -einrichtungen wird es weiter den Vor-Ort Service geben, insbesondere die lokal erforderlichen Störungsbeseitigungsdienste, die eben hardwarebedingt nicht allein durch Fernsteuerung zu leisten sind. Die Steuerung der Instandhaltung der Brandschutztechnik durch digitale Fernsteuerung erfordert entsprechende Personalqualifizierungen für die jeweiligen Brandschutzsysteme. Damit steigen fachlich die personellen Anforderungen im technischen Innen- wie auch Außendienst. Darin sehen wir die größte Herausforderung der Digitalisierung.
 

Haben Sie ein Beispiel für die Auswirkungen digitaler Methoden auf das Tagesgeschäft?
 

Am simplen Beispiel der Wohnungsrauchmelder wird deutlich, dass die Ferninspektion das Inspektions- und Wartungsprozedere im Interesse aller Beteiligten vereinfacht und vor Ort nur das anlassbezogene Störungsbeseitigungs- oder Austauschmanagement abzuwickeln ist. Die Zahl der Vor-Ort-Dienste lässt sich damit deutlich reduzieren. Wohnungsmieter und Betreiber werden in Teilen vom früheren Umfang des Handlings entlastet, wenn die Betreiber sich künftig für ferninspizierbare Rauchwarnmeldesysteme entscheiden. Der seit Jahren ausgebaute Einsatz von Branchensoftwarelösungen und die wachsend digital abgehaltenen inner- und außerbetrieblichen Weiterbildungsveranstaltungen im Betriebs- und Kundenmanagement gestalten die Arbeits- und Geschäftsorganisationsprozesse effizienter. Damit werden die Ressourcen schonender und besser genutzt.
 

Gibt es Produkte und Dienstleistungen, die sich in letzter Zeit besonders gut entwickeln?
 

Seit einiger Zeit erfolgt die Umstellung der Löschwassertechnik von Trinkwasserinstallationen oder auch die teilweise Umrüstung in Löschwasseranlagen „Trocken“ in Objekten mit einer geringen Zahl an Wandhydranten.
 

Viele Wandhydranteneinrichtungen im Bestand sind aus Gründen des Trinkwasserschutzes noch hygienisch zu trennen. Dazu bedarf es schutzzielgerechter Techniklösungen. Weiterhin geht der Trend zum Einsatz umweltfreundlicherer Feuerlöschgeräte und Feuerlöschmittel. Zudem kommen neuerdings Brandwarnanlagen für kleinere Gebäude vermehrt in den Markt.
 

Von einheitlichen Standards und Regelungen sind wir im föderalen deutschen (Bau-)Rechtssystem weit entfernt. Wie geht die Branche damit um, und sehen Sie eine Verbesserung kommen?
 

Der Föderalismus hat dennoch erkannt, dass er im Baurecht bezüglich Brandschutz für die Vereinheitlichung der Standards einstehen muss. Die Bundesländer halten sich inzwischen strenger an die in der Bauministerkonferenz der Länder abgestimmten Musterbestimmungen. Der Bund wirkt da proaktiv ein. Das gilt auch für den Bereich der technischen Normung. Der aktuelle Koalitionsvertrag der Regierungsparteien hat den Brandschutz erstmals mit auf die Agenda genommen. Das ist schon ein echter Fortschritt, den die öffentliche und selbstkritische Diskussion der Stellung des notwendigen Brandschutzes und seiner Kostenakzeptanz in den letzten Jahren bewirkt hat. Unverständlich ist allerdings, dass etwa die bauordnungsrechtlichen Technischen Prüfverordnungen der Bundesländer weiter uneinheitlich im Blick auf prüfpflichtige Bauten, prüfpflichtige Anlagen und Einrichtungen, den Kreis der Prüfberechtigten und der Prüffristen behandelt werden. Dieser Flickenteppich-Zustand ist im Interesse der Bauherren, Betreiber und Prüfberechtigten sowie Errichter und Instandhalter unbedingt zu beseitigen, weil es sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dafür wurde im Oktober 2019 – gemeinsam mit weiteren Akteuren des WVB Wirtschaftsverbandes Brandschutz e.V. – bei der zuständigen Staatssekretärin, Frau Anne Katrin Bohle, im Bundesbauministerium geworben. Beim Arbeitsschutz gelten ohnehin bundeseinheitliche Schutzbestimmungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Ergo darf es im baurechtlichen Brandschutz nicht anders sein.
 

Welche Themen beschäftigen die beiden bvbf-Fachgruppen "Rauchschutz" und "Löschwassertechnik" derzeit?
 

Unsere Rauchschutz- und Löschwassertechnikexperten halten sich auf dem laufenden Stand der Technik und diskutieren aktuelle Betriebsereignisse. Die Mitglieder werden informiert und bringen ihre praktischen Erfahrungen und Fragen ein. Die aktive Mitarbeit im Normenwesen ist von besonderem Belang. Seit einiger Zeit beschäftigen wir uns im Wartungsmarkt mit der teils wettbewerbsbehindernden Codierung von Steuerzentralen bestimmter Brandschutzanlagen.
 

Der Mangel an gut qualifizierten Fachkräften macht vielen Branchen zu schaffen. Wie sieht es bei den Brandschutz-Fachbetrieben aus?
 

Wir sind keine Ausnahme. Wichtig ist es, gut aus- und fortgebildete brandschutztechnische Mitarbeiter zu führen. Mittelfristig wollen etliche Unternehmen wieder zusätzliches Personal einstellen. Die beruflichen Fortbildungsqualifikationen und Arbeitsplätze müssen deshalb attraktiver gestaltet werden, um Fachkräfte für den wichtigen technischen Service am Kunden weiter gewinnen und sichern zu können.

 

Zum Gesprächspartner
 

Assessor jur. u. Dipl.-Verwaltungswirt Carsten Wege ist seit 2002 Geschäftsführer des Bundesverbandes Brandschutz-Fachbetriebe (bvbf).
Er wirkt in folgenden Gremien mit:

 

  • Präsidium des DIvB Deutsches Institut für vorbeugenden Brandschutz e.V.
  • DIN-Normungsausschuss Feuerwehrwesen Handbetätigte Geräte zur Brandbekämpfung
  • DIN-Normungsausschuss Bauwesen Rauch und Wärmefreihaltung
  • Externer Expertenrat im Sachgebiet Betrieblicher Brandschutz der DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.
  • Koordinator der Konzertierten Aktion Brandschutz (Erfahrungsaustausch-Netzwerk von Brandschutz-Verbändevertretern und aktiven und ehemaligen Parlamentsabgeordneten)

FeuerTrutz Ausgabe 4/2020

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